Folgenabschätzung von Informationstechnologie - Open Source

Aufgabenstellung

Open Source wird oft als Gegenstrategie gegen die zunehmende Regulierung des Internet gesehen. In diesem Kapitel soll diskutiert werden inwieweit das tatsächlich so ist. Außerdem soll Open Source in seinen Grundzügen und in seiner Funktionsweise dargestellt werden.

Dokumente

Die Webseite der Open Source Initiative

Der Begriff "Open Source" wird oft verwendet, ohne das eine exakte Definition bekannt ist. Insbesondere Firmen versuchen ihre Produkte mit dem Begriff OpenSource zu schmücken.

Die Open Source Initiative (OSI) hat deshalb eine formale Definition von Open Source definiert. Open Source bedeutet nicht nur Zugang zum Quellcode. Die Bedingungen, unter denen Open Source Software verbreitet wird, müssen verschiedenen Kriterien entsprechen. Die wichtigsten sind:

  1. Freie Weiterverteilung ohne Einschränkung erlaubt
  2. Quellcode in lesbarer Form enthalten
  3. Abegeleitete Werke dürfen unter derselben Lizenz verbreitet werden.
  4. Keine Diskriminierung von Personen oder Gruppen

Die Definition wurde erstmals 1997 von Bruce Perens als "The Debian Free Software Guidelines" formuliert und später von der OSI adaptiert. Die OSI wurde 1998 als Reaktion auf die Freigabe des Netscape Quellcodes gegründet. Sie ist eine gemeinnützige Organisation, die Softwarelizenzen auf Konformität mit der Open Source Definition überprüft. Präsident ist Eric S. Raymond. Im Vorstand sitzen u.a. Vertreter von Sun Microsystems, Redhat und der Apache Software Foundation.

Open Source Initiative

J.J King - Free Software is a political action

In diesem Interview mit Richard M. Stallman, dem Gründer der Free Software Foundation wird zunächst die Geschichte der Free Software Bewegung rekapituliert.

'We didn't call our software "free software",' says Stallman, 'because that term did not yet exist; but that's what it was. Whenever people from another university or a company wanted to port and use a program, we gladly let them. If you saw someone using an unfamiliar and interesting program, you could always ask to see the source code, so that you could read it, change it, or cannibalise parts of it to make a new program.'

Dies änderte sich laut Stallman Anfang der 80er als viele Programmierer aus dem akademischen Umfeld in kommerzielle Software Firmen wechselten. Stallman führt dann den Unterschied zwischen Open Source und Free Software aus. Open Source ist für Stallman keine Ideologie sondern nur eine Art Software zu schreiben. Im Gegensatz dazu ist für Free Software das Prinzip der Freiheit das wichtigste. Stallman betont das das Copyright die derzeit stärkste Form der Regulierung des Internets darstellt und mehr Menschen beeinträchtigt als beispielsweise die Regulierung durch die ICANN.

J.J. King - Free Software is a political action, Telepolis 18.08.1999

James Russell - A conversation with Sam Leffler

Sam Leffler war Anfang der 80er an der Universität Berkeley und entwickelte dort zusammen mit Bill Joy (dem Gründer von Sun Microsystems) die Berkeley Software Distribution. Sam Leffler vergleicht Open Source und Closed Source Entwicklungsmodelle. Er ist der Meinung, das keines der beiden Modelle dem anderen überlegen ist. Der Vorteil von Open Source Projekten ist die Community, die frühzeitig die Programme ausprobiert und Feedback gibt. Der Hauptschwierigkiet von Open Source Projekten ist es, fähige und verantwortungsvolle Entwickler für ein Projekt zu gewinnen. Als Beispiel für ein Gebiet, auf dem Open Source Software an Grenzen stößt, nennt er den Bereich Wireless LAN. Die Hersteller von Wireless LAN Hardware können keine Spezifikationen ihrer Hardware veröffentlichen, da es mit diesem Wissen möglich wäre, die Sendeleistung über die per Gesetz geregelten Grenzwerte zu erhöhen. Ohne Spezifikation ist es für die Open Source Bewegung nicht möglich qualitative Software zu schreiben. Im letzten Teil des Interviews nennt Sam Leffler die seiner Meinung nach größten Vorteile von Open Source: bessere Standardisierung, weniger Kompatibilitätsprobleme und grössere Verbreitung.

James Russell - A conversation with Sam Leffler, ACM Queue vol. 2, no. 3 - May 2004

Clifford Wolf - First they ignore you...

In seiner Keynote zu den Grazer Linuxtagen 2004 präsentiert Clifford Wolf, Gründer der Rock Linux Distribution, warum Open Source Software so erfolgreich ist. Zunächst arbeitet Clifford den Unterschied zwischen dem Produkt Software und der Dienstleistung "Software erstellen" heraus. Das Produkt Softwar hält er für nicht vermarktbar, da es eigentlich nur Information darstellt, und Information kopierbar ist. Nur durch das Urheberrecht wird das Produkt Software küstlich erschaffen, indem es dem Urheber ein Monopol über die Weitergabe von Informationen einraüt. Das Hauptziel des Herstellers von Softwareprodukten, die Maximierung des Gewinns, sieht Clifford im Widerspruch zu den Interessen der Benutzer, was zu proprietären Formaten, inkompatbilen Implementierungen und Updatezwang führe. Da Software aus Komponenten neu zusammengesetzt wird, und für diese Komponenten Lizenzgebühren bezahlt werden, sieht Clifford ein Problem für die Weiterentwicklung der Software. Da Weiterentwicklung die Verwendung von mehr Komponenten bedeutet, kann eine Weiterentwicklung nur bei wachsendem Markt stattfinden. Im Gegensatz dazu wächst Open Source Software automatisch mit der grösse des Marktanteils. In der zweiten Hälfte seines Vortrags kritisiert Clifford Softwarepatente. Genauso wie die Lizenzgebühren für Komponenten wachsen auch die Kosten für Patentgebühren, je komplexer das Programm und je mehr Anwender es hat. Durch diese steigenden Kosten wird die Innovation behindert.

Clifford Wolf - First they ignore you..., Keynote zu den Grazer Linuxtagen 2004

Mark H Webbink - Understanding Open Source Software

Zunächst erläutert Mark Webbink (RedHat) die Open Source definition. Danach erlätert er das Copyright und den Unterschied zwischen "Public Domain" und "Open Source". Im Gegensatz zu Public Domain Software ist Open Source durch das Copyright geschützt und die Lizenz erlaubt die Benutzung unter bestimmten Bedingungen. Am Beispiel der GPL, die abgeleitete Werke nur unter derselben Lizenz erlaubt, führt Webbink aus, wie ein abgeleitetes Werk juristisch definiert ist. Im letzten Teil geht er auf verbreitete Mythen rund um Open Source ein. Die Behauptung, dass Open Source geistiges Eigentum untergrät und verletzt widerlegt er damit, dass sich OS im Rahmen des Copyrights bewegt. Als Grund dafür, dass die GPL noch nie von einem Gericht überprüft wurde nennt er die Einfachheit der Lizenz. Angeblich fehlende Innovation widerlegt er mit Beispielen von Open Source Software die das Fundament des Internets bilden (Apache, BIND). Zum Schluss gibt er noch Ratschläge wie man mit Open Source in Unternehmen umgehen soll, so soll man insbesondere darauf achten und dokumentieren, welche Software man unter welchen Lizenzen benutzt

Mark H Webbink - Understanding Open Source Software, New South Wales Society for Computers and the Law Journal March 2003 Issue 51

Tim O'Reilly - Hardware, Software, and Infoware

Tim O'Reilly, Gründer von O'Reilly Media, startet seinen Artikel mit einer Beschreibung des Internets als der Killer Applikation heutiger Computer. Während in der Frühzeit Hardware die treibende Innovationskraft war, spä mit Microsoft Innovation hauptsächlich auf dem Softwarebereich stattfand, findet die Innovation heute im Bereich Infowar statt. Als Grund für den Erfolg des Internets nennt O'Reilly die Open Source Basis. HTML ermöglicht es jedem auf einfache Weise sich den Quelltext anderer Webseiten anzuschauen und für eigene Zwecke zu erweitern. Mit der einfachen chaotischen Programmiersprache perl ist es möglich mit einfachen Skripten Webapplikationen zu schreiben. Dadurch wurde die Einstiegshürde in den Softwaremarkt entscheident gesenkt.

The point is that open-source software doesn't need to beat Microsoft at its own game. Instead it is changing the nature of the game.

Tim O'Reilly - Hardware, Software and Infoware, Open Sources: Voices form the Open Source Revolution (O'Reilly & Associates 1999) ISBN: 1-56592-582-3

Thomas Zimmermann - Open Source und Freie Software - soziale Bewegung im virtuellen Raum?

Was die Arbeiterbewegung für das 19. Jahrhundert, die Umweltbewegung für das 20. Jahrhundert, ist die Open Source Bewegung für das 21. Jahrhundert. Diese These untersucht Thomas Zimmermann in diesem Beitrag zum Open Source Jahrbuch 2004. Zunächst untersucht er, ob Open Source überhaupt eine Bewegung ist. Eine der wichtigsten Fragen hierbei ist, ob die Verteilung und Nutzung von Software überhaupt von gesellschaftlicher Bedeutung ist und ob das Ziel der Open Source Bewegung ein sozialer Wandel ist. Da wir uns in der Informationsgesellschaft befinden, und fast jeder Mensch in irgendeiner Form Software benutzt, kann diese Fragestellung bejaht werden. Die OS-Bewegung protestiert gewissermassen gegen die künstliche Verknappung von Wissen und Informationen. Klassische Bildung wird zunehmend vom Wissen um wertvolle Informationen und wie man mit Softwaretechnologien im Rahmen des lebenslangen Lernprozesses zu diesem Wissen kommt. Auch die Methoden der OS-Bewegung ähneln laut Zimmermann denen der Arbeiterbewegung. Dem Oligopol der kommerziellen Softwarehersteller wird ein kollektives Monopol der Arbeitnehmer gegenübergestellt. Dabei bedient man sich gewissermassen der Waffen des Gegners (Lizenzen).

Thomas Zimmermann - Open Source und Freie Software - soziale Bewegung im virtuellen Raum?, Open Source Jahrbuch 2004 (Lehmanns Media 2004) ISBN: 3-936427-78-X

Zusammenfassung

Beim Studium der Dokumente zur Open Source Bewegung fällt zunächst auf, dass die Open Source Bewegung in zwei große Gruppen zerfällt: die eher unpolitische Open Source Bewegung, die Open Source primär als eine Methode des Software Engineerings betrachtet (siehe auch Interview mit Sam Leffler) und die radikale Free Software Bewegung (allen voran Richard M. Stallman) die einen gesellschaftspolitischen Anspruch hat. Einige Autoren wie Zimmermann kennen zwar den Unterschied, trotzdem werden die beiden Gruppen aber miteinander verwechselt. (Beispielsweise meint auch die Aufgabenstellung wahrscheinlich eher die Free Software Bewegung ;-).

Die Nagelprobe für die FS/OS-Bewegung in Europa stellt der Kampf gegen Softwarepatente da, der sowohl bei Zimmermann als auch bei Clifford Wolf einen zentral Teil des Artikels ausmacht. Beim Kampf gegen Softwarepatente kam es ja auch schon zu den ersten Demonstrationen im Reallife.

Obwohl Open Source zunächst einmal nicht kommerziell ausgerichtet ist, fällt insbesondere in den Artikeln von Webbink und O'Reilly auf, dass die Autoren mit Open Source ihr Geld verdienen, und sie in ihren Artikeln mehr oder weniger ihre Geschäftsbereiche hervorstreichen (Webbink mit Open Source in Unternehmen, O'Reilly mit dem Vertrieb von Büchern insbesondere über Programmiersprachen wie Perl). Insgesamt ist die Glaubwürdigkeit der Dokumente aber als hoch einzuschätzen, da es sich entweder um namhafte Vertreter der FS/OS-Bewegung handelt (RMS, Leffler, Wolf) oder die Artikel auf hochfrequentierten Portalen erschienen (Groklaw, Heise, O'Reilly).

Neben den ausgewählten Dokumenten gibt es noch eine Unzahl weiterer Dokumente, eine große Sammlung findet man bei der Free/Open Source Research Community des MIT. Man erkennt das Naheverhältnis von Open Source zu den akademischen Paperproduzenten.


© 2004 Tilman Linneweh